Mehr Flexibilität in der Getriebeauslegung: Lastkollektive in der FVA-Workbench

Herkömmliche Getriebeauslegungen auf Basis von nominellen Leistungen und Drehzahlen sind im Regelfall nicht ausreichend, um den vielfältigen Anforderungen moderner Anwendungen, beispielsweise Ressourceneffizienz bei hoher Leistungsdichte, hohem Wirkungsgrad und hoher Lebensdauer, gerecht zu werden. Vielmehr müssen verschiedene Betriebszustände isoliert und deren Kombination Berücksichtigung finden. Dies geschieht über Lastkollektive.

Bisher ermöglichte die FVA-Workbench die Berücksichtigung von Lastkollektiven in Form von sogenannten „skalierten Lastkollektiven“, siehe auch TechBlog #16. Diese Lastkollektive bestehen aus Skalierungsfaktoren für Drehzahl und Drehmoment im Leistungsfluss. Alle übrigen Belastungen im System wurden, sofern es keine konstanten Lasten waren, mit dem Leistungsfluss skaliert.

Mit der aktuellen FVA-Workbench Version wurde nun das Feature der „flexiblen Lastkollektive“ ergänzt. Hierbei ist es möglich, beliebige Kombinationen aus Lasten und geschalteten Gängen mit den zugehörigen Zeitanteilen in einem intuitiven Editor anzulegen (s. Abbildung 1).

Hervorzuheben ist, dass für jeden dieser Lastfälle eine separate Berechnung des Gesamtsystems durchgeführt wird. Im Nachgang erfolgt dann zusätzlich eine Akkumulation der Lastfälle mit den jeweiligen Zeitanteilen. Der Anwender kann also im Nachgang die Auswirkungen der verschiedenen Betriebszustände separat und das Ergebnis der gesamten Berechnung im Reporting der FVA-Workbench nachvollziehen.

Beispielanwendung Walzwerksgetriebe

Die Vorteile zeigen sich bereits bei einem einfachen Antriebsstrang eines Walzwerkes, schematisch dargestellt in Abbildung 2. Die Kenndaten zur Auslegung stammen aus dem Forschungsvorhaben FVA 131.

Beim Walzprozess können zwei wesentliche Ereignisse auftreten. Ein normaler Anstich oder ein Anstich mit sogenannten Ratterschwingungen, vgl. [FVA 131]. Hier soll nur der Fall des normalen Anstichs betrachtet werden, die Berücksichtigung des Ereignisses der Ratterschwingungen erfolgt ähnlich. Der normale Anstich besteht vereinfacht aus 3 Betriebszuständen, die sich, hier ebenfalls vereinfacht, alle 8 Sekunden wiederholen:

  • Beginn des Anstichs
  • Walzprozess
  • Leerlauf

Der Verlauf des normierten Drehmoments über der Zeit ist in Abbildung 3 dargestellt.

Mit der FVA-Workbench können solche einparametrische, aber auch mehrparametrische (d.h. unter zusätzlicher Berücksichtigung von Drehzahl, äußeren Kräften etc.) Zeitverläufe einfach in Lastkollektive für die Gesamtsystemberechnung überführt werden. In Abbildung 4 ist das für den normalen Anstich aufbereitete Lastkollektiv im flexiblen Lastkollektiveditor dargestellt.

Im nächsten Schritt können nun die Berechnungen mit dem eingegebenen Lastkollektiv durchgeführt werden.

Verfügbare Berechnungen

In der FVA-Workbench können in der Version 9 in folgenden Berechnungen die Lastkollektive (sowohl skaliert als auch flexibel) berücksichtigt werden:

  • ISO 6336 2006 und 2019 bei Stirnrädern
  • Verzahnungsanregung nach FVA 338 I bei Stirnrädern
  • ISO 10300 2014 bei Kegelrädern
  • Wälzlagerberechnung
  • FKM-Richtlinie 2012 bei Wellenkerbstellen
  • Lokale Schadensakkumulation bei Kegelrädern

Gleichzeitig können im flexiblen Lastkollektiv die einzelnen Lastfälle isoliert mit allen übrigen in der FVA-Workbench vorhandenen Berechnungsverfahren bewertet werden, da auf Wunsch für jeden Lastfall ein Snapshot mit zugehörigen Ergebnissen fürs Reporting angelegt wird.

Auf diese Weise kann der Anwender sein Getriebe sowohl für das gesamte Lastkollektiv als auch auf einzelne Kollektivstufen optimieren.

Ergebnisausgabe

Die Ergebnisausgabe erfolgt analog zu den skalierten Lastkollektiven, vergleiche Techblog 16. Der Unterschied liegt jedoch darin, dass zusätzlich zum Report über alle akkumulierten Lastfälle auch isolierte Reports für jeden einzelnen Lastfall verfügbar sind (s. Abbildung 5).

Fazit

Es zeigt sich, dass mit dem neuen Flexiblen Lastkollektiv das Spektrum an Möglichkeiten zur Berechnung und Auswertung innerhalb der FVA-Workbench deutlich erweitert wird. Die wesentlichen Neuerungen hierbei sind:

  • Für jeden Lastfall können Einzelkräfte und Biegemomente separat vorgegeben werden
  • Die Öltemperatur kann für jeden Lastfall variiert werden
  • Für jeden Lastfall ist die Erstellung eines Reports möglich

Weiterhin bleiben die Vorteile, die auch schon das skalierte Lastkollektiv ermöglicht hat, verfügbar:

  • Vorgabe von Drehmoment und Drehzahl für jeden Lastfall
  • Konstante Einzelkräfte und Biegemomente für alle Lastfälle
  • Schaltbare Lasten
  • Ein Report mit den akkumulierten Ergebnissen aller Lastfälle
  • Ansteuerbarkeit mittels in der FVA-Workbench enthaltenem Scripting

Zuletzt sei noch ein wesentlicher Vorteil des skalierten Lastkollektivs hervorgehoben. Beim skalierten Lastkollektiv ist es möglich zwischen den Lastfällen zu interpolieren, hierdurch kann bei sehr umfangreichen Lastkollektiven die Berechnung mit höherer rechnerischer Performance erfolgen.