Einfluss des lastabhängigen Achsabstands

Hohe Leistungsdichten, das heißt die Kombination von maximaler Leistung mit möglichst geringer Masse, erfordern den Einsatz von leichten Materialien wie Aluminium, Magnesium oder Kunststoff. Diese Materialien haben allerdings im Vergleich zu Stahl eine deutlich geringere Steifigkeit. Da die Masse einer Welle mit dem Quadrat des Wellendurchmessers wächst, kann durch eine kleine Reduktion des Durchmessers die Gesamtmasse gemindert werden. All diese Maßnahmen führen allerdings zu einem weicheren System und damit zu stärkeren Verformungen.

Verzahnungskräfte wirken im Zahneingriff immer entlang der Eingriffslinie und damit in einem Winkel zum Achsabstand, der dem Eingriffswinkel entspricht. Die Verzahnungskraft wirkt auf die Wellen sowie das Lagerungssystem und führt zu einer Deformation des Systems in Richtung der Verzahnungskraft.

Zerlegt man die Wellenbiegelinie in Richtung des Achsabstands und in Anteile senkrecht dazu, erhält man die Deformationen, die auf die Verzahnungen wirken. In der Regel sind nur die Deformationen von Interesse, die senkrecht zum Eingriff stehen, da diese eine Schiefstellung der Verzahnung bewirken. Diese Deformationen sollten über Standardkorrekturen ausgeglichen werden, da Schiefstellungen zu Lastüberhöhungen und damit zu deutlich geringeren Lebensdauern führen.

Die Verformungen in Richtung des Achsabstandes können nicht korrigiert werden und haben keine unmittelbar tragfähigkeitsreduzierende Wirkung, wie es bei einer Verkippung der Räder zueinander der Fall wäre. Allerdings wirkt diese Deformation wie eine Änderung des Achsabstands. Daher wird in diesem Artikel der Anteil der Wellenbiegelinie in Richtung des Achsabstands als lastabhängiger Achsabstand bezeichnet.

Definition des lastabhängigen Achsabstands

Der lastabhängige Achsabstand führt zu einer Veränderung des Eingriffs, da die Räder aus dem Eingriff herausgezogen oder je nach System in den Eingriff hineingeschoben werden. Eine Veränderung der Länge der Eingriffsstrecke und der Überdeckung sind die Folge.

Das Modell

Im folgenden Beispiel wird der Einfluss des lastabhängigen Achsabstands auf den Zahneingriff in einem Doppelkupplungsgetriebe diskutiert. Abbildung 1 zeigt das 3D Modell des Getriebequerschnitts in der Getriebedesignsoftware FVA-Workbench. Das Getriebe besteht aus der Doppelkupplung am Getriebeeingang, die entweder die Hohlwelle für die ungeraden Gänge oder die Vollwelle für die geraden Gänge schaltet. Auf der Vorgelegewelle sind die Losräder montiert. Über eine Kegelradstufe wird die Leistung aus dem Getriebe abgeführt.

Da in der Mitte der Vorgelegewelle die größte Durchbiegung zu erwarten ist, wird der zweite Gang als kritischer Gang bewertet und im Folgenden exemplarisch diskutiert.

Die Verzahnung ist dahingehend ausgelegt, dass die Pressung möglichst gleichmäßig einen Maximalwert von 1500 MPa nicht übersteigt. Die aufgebrachte Korrektur stellt sicher, dass keine Last- oder Pressungsspitzen auf der Flanke zu erwarten sind.

Einfluss auf die Tragfähigkeit

Die Überdeckung ist für viele Kenngrößen der Verzahnung maßgeblich. Sie gibt an, auf wie viele Zähne sich die Last im Schnitt verteilt. Eine Überdeckung von 1 zeigt, dass immer genau ein Zahnpaar im Eingriff ist, eine Überdeckung von 1,5 dagegen gibt an, dass auf der Hälfte der Eingriffsstrecke 2 Zahnpaare im Eingriff sind. Die Verzahnungskraft kann sich dadurch auf mehrere Zähne verteilen, was sich positiv auf die Tragfähigkeit auswirkt.

Durch die flexible Konstruktion der Vorgelegewelle drückt die Verzahnungskraft die Verzahnung auseinander und die Überdeckung wird reduziert. Entsprechend wird auch die mittlere Anzahl der Zähne reduziert, über die die Last übertragen wird. Das wirkt sich negativ auf die Sicherheiten aus.
Im vorliegenden Beispiel war das Auslegungskriterium ausschließlich über die Pressung definiert, die Sicherheiten (ohne Berücksichtigung eines Lastkollektivs) nach ISO 6336 fallen entsprechend niedrig aus.

Tabelle 1 zeigt, dass die Flankensicherheit durch die Berücksichtigung des lastabhängigen Achsabstands geringfügig reduziert wird. Gleichzeitig erhöht sich die Zahnfußsicherheit deutlich. Dies ist dadurch zu erklären, dass sich der Hebelarm für die Verzahnungskraft verlängert, die Last also kleiner wird. Gleichzeitig erhöht sich allerdings der Biegehebelarm am Zahn, da die Last insgesamt höher angreift. Für diesen Fall wirkt der lastabhängige Achsabstand positiv, es sind allerdings auch Beispiele konstruierbar, bei denen sich die Zahnfußsicherheit reduziert. Eine Berücksichtigung des lastabhängigen Achsabstands ist daher unerlässlich.

 

 

Mit lastabhängigem Achsabstand

Ohne lastabhängigem Achsabstand

 

 

Ritzel

Rad

Ritzel

Rad

Flankensicherheit

SH

0,68

0,68

0,72

0,72

Zahnfußsicherheit

SF

0,94

0,78

0,52

0,52

Tabelle 1: Verzahnungssicherheit mit und ohne lastabhängigem Achsabstand

Einfluss auf die Last- und Pressungsverteilung

Bei der Last- und Pressungsverteilung spielt die Mikrogeometrie der Verzahnung eine tragende Rolle. In Abbildung 2 wird deutlich, dass die Verzahnung ohne den Einfluss des lastabhängigen Achsabstands ausgelegt wurde. Wird der Einfluss dann berücksichtigt, ist die Lastverteilung in Eingriffsrichtung nicht mehr gleichmäßig, sondern steigt deutlich an.

Einfluss auf die Geräuschanregung

Ein Bewertungskriterium für die Geräuschanregung ist der Drehwegfehler und der Anregungspegel. Der Drehwegfehler entsteht im Getriebe durch die schwankenden Steifigkeiten in der Verzahnung und die unterschiedlichen Lasten je Eingriffsstellung. Der Anregungspegel wird durch eine gewichtete Summation der Einzelfrequenzen der Verzahnung mit einer Übergewichtung der hörbaren Frequenzen gebildet und ist in FVA 133 – Sprungüberdeckung, FZG – TU München, beschrieben.

Berechnet man aus der dargestellten Lastverteilung den Drehwegfehler, zeigt sich der Einfluss des lastabhängigen Achsabstandes noch deutlicher. Die Schwankungsbreite des Drehwegfehlers nimmt um mehr als 50 % zu. Gleichzeitig steigt der Anregungspegel von 16,79 dB auf 19,35 dB. Es ist also davon auszugehen, dass dieses Getriebe deutlich lauter ist als ein solches, bei dem der lastabhängige Achsabstand in der Auslegung nicht berücksichtigt wurde.

Abbildung 4 zeigt die Simulation des Drehwegfehlers mit und ohne lastabhängigem Achsabstand in der Ergebnisausgabe der FVA-Workbench.

Möchte man die Zahnfußspannung genauer betrachten, bietet sich das Verfahren aus FVA 264 an, bei der mittels der BEM Methode die Zahnfußspannung örtlich über dem Eingriff aufgelöst werden kann. Abbildung 5 zeigt die Simulation der Zahnfußspannung mit und ohne lastabhängigem Achsabstand im Ergebnisreport der FVA-Workbench.

Die Analyse zeigt, dass die Zahnfußspannung am Rad von 739 N/mm² auf 826 N/mm² ansteigt, wenn der lastabhängige Achsabstand berücksichtigt wird. Gleichzeitig sinkt die Spannung am Ritzel etwas von 809 N/mm² auf 788 N/mm².

Lastabhängige Achsabstände mit der FVA-Workbench berücksichtigen

Das vorliegende Beispiel zeichnet sich durch eine besonders weiche Konstruktion aus. Dadurch ist der Einfluss des lastabhängigen Achsabstands sehr prominent. Besonders in der Zahnfußsicherheit ist eine deutliche Erhöhung erkennbar. Dies ist allerdings kein allgemeiner Trend, sondern ist nur auf dieses Beispiel anwendbar. Eine Berücksichtigung des lastabhängigen Achsabstand ist daher immer empfohlen.
Betrachtet man die Kenngrößen lokal auf der Flanke, wie beispielsweise Pressungen oder Drehwegfehler, ist ein signifikanter Einfluss des lastabhängigen Achsabstands erkennbar. Die Pressungsüberhöhungen von rund 400 N/mm² sind am Übergang zwischen Kopfrücknahme und Flanke erkennbar. Dies zeigt, dass der Einfluss des lastabhängigen Achsabstands auch bei der Auslegung der Korrektur mitberücksichtigt werden muss. Über den Drehwegfehler lässt sich die Geräuschanregung des Getriebes beurteilen. Die Erhöhung des Drehwegfehlers um mehr als 50 % unterstreicht die Notwendigkeit, den lastabhängigen Achsabstand zu berücksichtigen. In diesem Fall wird deutlich, dass die aufgebrachte Korrektur nicht mehr ausreichend ist.
Mit der FVA-Workbench wird der lastabhängige Achsabstand bei allen Konstruktionen automatisch mitberücksichtigt.