Einsatz von REXS bei ZF

Getriebeentwicklung am Puls der Forschung

Die FVA-Workbench ist die führende Software zur Berechnung und Simulation einzelner Antriebselemente und komplexer Getriebesysteme. Sie bündelt das Wissen aus über 50 Jahren Forschung des weltweit größten Forschungs- und Innovationsnetzwerks der Antriebstechnik – der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA). Neue Erkenntnisse werden kontinuierlich in der industriellen Gemeinschaftsforschung definiert, erarbeitet, validiert und systematisch in die FVA-Workbench übertragen. Damit stellt sie neben den klassischen Normberechnungsverfahren auch immer den aktuellen Stand der Forschung zur Verfügung.

In der FVA-Workbench können umfangreiche und komplexe Getriebe aufgebaut, parametrisiert und mit den lizensierten Modulen berechnet werden. Der rechenzielorientierte Ansatz unterstützt bei der Auswahl und Parametrisierung der Berechnung.

REXS – die standardisierte Schnittstelle zum einfachen Austausch von Getriebedaten

Ein wichtiger Meilenstein für Industrie 4.0 ist die Etablierung branchenweiter Standards. Das Verbinden von Softwaresystemen zu durchgängigen Prozessen verspricht eine Vereinfachung des Arbeitsalltags und eine geringere Fehleranfälligkeit. Oftmals stellen sich dabei sehr konkrete Fragen, etwa nach den Koordinatensystemen, den Definitionsbereichen oder den Schnittstellen. Auch wenn alle Fragen vorher geklärt werden können, sind solche Schnittstellenarbeiten häufig komplexe Aufgaben, die sowohl Ingenieurs- als auch IT-Kompetenzen erfordern.

Die Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. hat es sich zum Ziel gesetzt, einen industrieweiten Standard für einen einfachen Datenaustausch in der Getriebeentwicklung zu etablieren, um entsprechende Möglichkeiten zu schaffen und Arbeitsabläufe reibungsloser zu gestalten. Seit 2017 entwickelt die Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. in enger Zusammenarbeit mit Industrie und Forschung die Datenschnittstelle Reusable Engineering Exchange Standard (REXS) – eine Open Source Datenschnittstelle mit maßgeschneiderten Lösungen für die Antriebstechnik. Auf Grundlage der detaillierten Terminologie von 25 projektbegleitenden Ausschüssen der FVA definiert REXS normübergreifend und branchenweit eine einheitliche Modellierung und Nomenklatur des Getriebes und seiner Komponenten.

Als Referenzsoftware bei der Entwicklung des Schnittstellenformats kann die FVA-Workbench Getriebemodelle stets im aktuellen REXS-Format exportieren und importieren. Damit ist es möglich, Getriebemodelle zwischen verschiedenen CAE-Systemen zu transferieren, um deren jeweilige Stärken optimal zu nutzen. Die REXS-Initiative verfolgt das Ziel, einen „digitalen Zwilling“ in der Getriebeentwicklung und -berechnung bereitzustellen. Mit ihrer langjährigen Erfahrung und breiten Verwurzelung in Industrie und Forschung ist die FVA in der Lage, einen Standard zu definieren, der branchenweit Anwendung findet.

REXS 1.5 veröffentlicht

Anpassungen an der Spezifikation, die sich aus den Anforderungen der Anwenderinnen und Anwender ergeben, werden jährlich in einem neuen Release veröffentlicht. Die Anforderungen und Änderungswünsche werden in einem öffentlichen Ticketsystem erfasst und dem Change Control Board (CCB) vorgestellt. Dieses Gremium unterstützt und steuert die Standardisierungsarbeit im Rahmen von REXS, um eine zielgerichtete Entwicklung zu ermöglichen.

In der neusten Release-Version REXS 1.5 wurden Möglichkeiten geschaffen, externe Datenquellen zu referenzieren. Zum Beispiel ist es jetzt möglich, Komponenten mit ihren Subkomponenten und Relationen in einer REXS-Datei zu verwenden, ohne sie zu duplizieren. Dadurch können REXS-Dateien modularer aufgebaut werden.

Beim Übertragen von Daten aus Berechnungsprogrammen kommt es häufig zu Überbestimmungen. Hier stellt sich die Frage, welche Daten von der Nutzerin oder vom Nutzer vorgegeben wurden und welche Daten berechnet wurden. Mit einem neuen Tag „origin“ kann nun definiert werden, ob ein Wert berechnet oder von der Nutzerin oder vom Nutzer vorgegeben wurde. So lässt sich beim Einlesen der Daten einfacher entscheiden, welche Werte aus dem Modell übernommen werden können. Mit dieser Anpassung können Modelle konsistent von einem Softwaretool in das nächste übertragen werden.

Weiterhin wurde festgelegt, wie REXS-Modelle auch im JSON-Dateiformat abgebildet werden können.

Design-Prinzipien von REXS

  • Kostenlos und offen
    Nicht-proprietäre, detaillierte Dokumentation, die jedem kostenlos zur Verfügung steht.
  • Umfassend und eindeutig
    Modellierung des kompletten Getriebes inklusive aller verfügbaren Daten (Eingaben sowie Ergebnisse). Alle Komponenten des Modells sind so explizit wie möglich modelliert ("Schnappschuss eines Getriebes").
  • Gut dokumentiert
    Alle verwendeten Konzepte, Konventionen und Parameter müssen gut dokumentiert sein, um Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden.
  • Standardisiert
    Verwendung spezifischer, unmissverständlicher Definitionen sowie allgemeiner Regeln und Konventionen. Vermeidung von Sonderfällen und Ausnahmen. Basierend auf verbreiteten Dateiformaten (XML, JSON, ZIP).
  • Einfach und generisch
    Der Aufbau des Schnittstellenformats sowie des zugrundeliegenden Getriebemodells sollte so einfach und generisch wie möglich sein, von wenigen Meta-Elementen abhängen und Erweiterungen des Modells ohne Einführung neuer Strukturen ermöglichen.
  • Bilateral erweiterbar
    Es soll möglich sein, REXS um gemeinsam vereinbarte Daten zu erweitern. Damit können besondere Anforderungen an den Datenaustausch zwischen zwei Softwareumgebungen berücksichtigt werden.

REXS – der Standard für den virtuellen Zwilling der Getriebeentwicklung

Die standardisierte Datenschnittstelle REXS wird seit 2017 im Auftrag der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA) unter einer Open Source Lizenz entwickelt. An der Entwicklung sind sowohl Forschungsinstitute wie das IMM der TU Dresden, das WZL der RWTH Aachen, die FZG der TU München als auch führende Unternehmen der Antriebstechnik, wie zum Beispiel SEW-Eurodrive, Schaeffler AG und ZF beteiligt. Gemeinsam haben sie REXS mit dem Ziel entwickelt, Daten entlang der Wertschöpfungskette auszutauschen und anzureichern, sodass ein digitaler Zwilling eines Antriebes entsteht. Die Simulationssoftware FVA-Workbench als Vergleichsimplementierung unterstützt alle Versionen im Im- und Export. 

„Damit wird die FVA-Workbench zum Datenspender für den digitalen Zwilling in der Antriebsentwicklung“, erklärt Norbert Haefke, Geschäftsführer der FVA GmbH.

Anwendung von REXS bei ZF

Durch das Engagement der FVA-Firmen und ihre langjährigen Erfahrungen im Bereich Getriebesoftware wird die Praxistauglichkeit der entwickelten Konzepte im industriellen Umfeld gewährleistet. Zahlreiche OEMs, Tier 1 und CAE-Softwareanbieter haben die REXS-Schnittstelle bereits in ihre Tools und Software-Produkte implementiert. Die Schnittstelle wird nicht nur bei kommerziellen Berechnungsprogrammen verwendet. Auch die interne Berechnungslandschaft von Getriebeherstellern, wie die der ZF Friedrichshafen AG, baut für die automatisierten Berechnungen auf den freien Standard auf. Folglich wird der REXS-Standard auch in internen Softwareentwicklungsprojekten bei ZF eingesetzt.

Durch umfassende Grundlagenforschung und Know-how aus den Anwendungen hat die ZF Friedrichshafen AG schon vor mehreren Jahrzehnten eigene Tragfähigkeitsverfahren entwickelt und diese stetig an den aktuellen Kenntnisstand angepasst. Die Anwendung dieser Verfahren in der Produktentwicklung trägt wesentlich zur hohen Qualität und Leistungsdichte der ZF-Getriebesysteme bei. In der Vergangenheit wurden die Methoden in hauseigenen Engineering-Tools gewartet und an die Produktentwicklung ausgerollt. Da die Pflege und Betreuung der hausinternen Software jedoch mit hohem Aufwand verbunden war, wurden zunehmend kommerzielle Tools, wie die FVA-Workbench, für die Produktentwicklung eingesetzt. Hierbei wurden die internen Berechnungsverfahren in die FVA-Workbench integriert, um den Zugang zu den hausinternen Methoden für alle Ingenieurinnen und Ingenieure weiterhin zu gewährleisten.

Die ZF-spezifischen Methoden wurden im Rahmen der Integration nicht an die FVA GmbH übergeben, um das firmeninterne Wissen zu schützen. Es wurde daher beschlossen, dass ZF die Berechnungen in einem eigenen Plugin kapselt und dieses bidirektional über eine REXS-Datei mit der FVA-Workbench kommuniziert.

Über diesen konkreten Anwendungsfall hinaus lassen sich auf diese Weise automatische Workflows über verschiedene Simulationstools hinweg realisieren. REXS ist dabei ein wichtiger Meilenstein in Richtung Unabhängigkeit von herstellerspezifischen Datenformaten.

"In der Produktentwicklung bei ZF setzen wir auf eine Kombination von internen und kommerziellen Tools. REXS ermöglicht es uns, die Modelle synchron zu halten, ohne dass wir uns über durchgängige Änderungen der Simulationsmodelle Gedanken machen müssen." – Dr. Johannes König, Leiter der Abteilung für Grundlagen und Digitalisierung in der Verzahnungsentwicklung, ZF Friedrichshafen AG

Fazit

REXS wird maßgeblich durch die Anforderungen des weltweit führenden Unternehmens auf dem Gebiet der Antriebs- und Fahrwerktechnik, der ZF Friedrichshafen AG, mitgestaltet. Die ZF eigenen Tragfähigkeitsverfahren wurden in der FVA-Workbench implementiert und diese in REXS als Datenschnittstelle unterstützt.  Somit ermöglicht REXS den einfachen Austausch von ZF-Modellen mit Kundinnen und Kunden und deren Weiterverarbeitung in der FVA-Workbench.

Für den einfachen Einstieg in REXS stehen auf https://www.rexs.info Beispieldatensätze zur Verfügung. Exportierte Datensätze können mit dem kostenfreien Werkzeug validiert werden. Auf diesem Weg lässt sich Spezifikationskonformität einfach nachweisen und sicherstellen, dass die REXS-Dateien auch in anderen Programmen verwendet werden können.